Junge Frau isst Pommes

Binge Eating – Wenn Essen die innere Leere füllt – Teil 1

Gastbeitrag von Friederike Wendlandt • lebenaufumwegenzum Buch

Binge Eating ist weiter verbreitet, als viele Menschen vielleicht annehmen und wird oft mit Übergewicht oder Adipositas verwechselt. Aber nicht jeder, der übergewichtig ist oder unter Adipositas leidet, ist gleichzeitig von Binge Eating betroffen.

Binge bedeutet so viel wie Hineinschlingen und meint damit, dass es zu unkontrollierten Essanfällen kommt, bei denen Betroffene extrem viel Nahrung in sehr kurzer Zeit zu sich nehmen.
Anders als Bulimiker, die sich nach dem Essen erbrechen, Abführmittel nehmen oder exzessiven Sport treiben, ergreifen Menschen mit Binge Eating keine Gegenmaßnahmen, was schlussendlich zu Übergewicht führt.

Auf ähnliche Weise hat sich das auch bei Birgit zugetragen. Heute ist sie 27 Jahre alt und lebt mit ihrem Freund zusammen. Sie erzählt, dass sie schon immer eher übergewichtig war. Bereits im Kleinkindalter litt sie unter Ängsten, Panik und Depressionen, was den Krankheitsverlauf sicherlich begünstigt hat. Hinzu kam bei ihr ein Derealisationsgefühl. Ihr Umfeld erschien ihr unecht, sodass sie sich nicht mehr sicher sein konnte, ob sie gerade in einen Film gesetzt worden war oder ob das, was geschah, gerade wirklich passierte. Ihre Gedanken erschienen ihr wie ferngesteuert und auch das Gefühl für ihren eigenen Körper schwand.

Das Thema Gewicht begleitete sie seitdem ständig – sowohl in der Familie als auch in der Schule. Dort verglich sie sich häufig mit ihren Mitschülern.
Dieses Verhalten führte dazu, dass der Gedanke, Gewicht verlieren zu wollen, mit 11 oder 12 Jahren immer konkreter wurde. Sie las Diätbücher und Zeitschriften.
Wirklich geholfen hat nichts davon und die Panik vor ihrem Umfeld nahm weiter zu. Mit 16 Jahren wurden ihr die Menschen in der Schule zu viel. Ihr Übergewicht war mittlerweile stark ausgeprägt. Sie wurde immer depressiver und drohte in Schuldgefühlen zu ertrinken.

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Als sie nicht mehr konnte, entschied sie sich, für ein halbes Jahr in eine Klinik zu gehen. Dies brachte zwar kurzzeitig Besserung, jedoch überkamen sie im Anschluss an die Therapie nun tranceähnliche Zustände, bei denen sie hochkalorische Nahrungsmittel in kürzester Zeit zu sich nahm.
Hunger war dabei in den seltensten Fällen der direkte Auslöser dafür, sondern eine innere Leere oder Druck, den sie loswerden musste. Sie spürte, dass sie jetzt schnell etwas brauchte und ging los zum Einkaufen. Wenn ihr auf dem Weg Menschen entgegenkamen, schämte sie sich dafür in Grund und Boden. Sie nahm an, jeder wisse, dass sie jetzt einkaufen gehe.

Um das zu umgehen, rief sie auch manchmal nur den Lieferservice, vor dem sie sich aber ebenso sehr schämte. Meisterte sie den Weg zum Supermarkt doch, kaufte sie große Mengen ein und macht sich am Kassenband wieder Gedanken darum, was die anderen Menschen denn jetzt von ihr halten würden. Das schürte die soziale Angst davor, andere könnten über sie urteilen und ins Geld ging ihr Verhalten auch – wie bei so vielen Süchten.

Nach dem Einkauf fing sie dann an, alles, bis auf den letzten Krümel, in sich hineinzustopfen. Meistens saß sie dabei auf der Couch, schaute Fernsehen und realisierte gar nicht, was sie tat. Mit Genuss hatte das nie etwas zu tun, sagt sie. Im Prinzip war es ihr egal, was sie aß, Hauptsache es war richtig fettig oder süß.
Sie meint, es wäre sogar egal gewesen, etwas zu essen, das ihr gar nicht schmeckte. Nichts hielt sie während des Anfalls auf – obwohl ihr schlecht wurde und sie unter dem Völlegefühl litt. Es war erst zu Ende, wenn wirklich alles weg war, der Müll verstreut am Boden lag und sie sich kraftlos, enttäuscht und unter Schmerzen hinlegte.

Danach machte sie sich Vorwürfe dafür, dass sie sich und ihrem Körper das antat. Es überkam sie eine große Enttäuschung über sich selbst und sie lebte nur noch von der Hoffnung, dass ab jetzt endlich alles besser werden würde.
In Folge dessen begann sie, sich das Essen fast vollkommen zu verbieten, aß bis fünf Uhr am Abend gar nichts und das Spiel wiederholte sich. Drei bis vier Mal die Woche überfielen sie diese Attacken, bei denen sie jedes Mal komplett die Kontrolle verlor.

Aus Scham über ihr Verhalten verheimlichte sie die Abgründe ihrer Essstörung. Sie kann sich zwar denken, dass andere mitbekamen, dass sie zunahm, aber wenn sie mit anderen zusammen aß, hielt sich ihr Essverhalten in einem normalen Rahmen. Erst, als sie wieder alleine in ihrer damaligen Wohnung war, erlaubte sie sich, sich der Sucht hinzugeben.

Du möchtest wissen, wie Birgit ihre Sucht besiegt hat? Hier geht es zu Teil 2 des Beitrags.

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